„Woyzeck“ als Ein-Mann-Stück für die Oberstufe

Woyzeck, Marie und der Tambourmajor, Andres, der Doktor und der Hauptmann, verkörpert nur durch einen Schauspieler. Dass das nicht nur möglich ist, sondern auch ein Publikum überzeugen und mitziehen kann, zeigte Reimund Groß von der Literaturbrauerei am 16. Februar unserer Oberstufe. Er spielte das Dramenfragment „Woyzeck“ von Georg Büchner als Ein-Mann-Stück.

Bereits seit einigen Jahren bereitet der Schauspieler aus Brandenburg abiturrelevante Lektüren für ein junges Publikum szenisch auf, um einen anderen Blick darauf zu ermöglichen, und lädt anschließend zum Gespräch darüber ein. In diesem und im kommenden Jahr gehört in Niedersachsen Büchners „Woyzeck“ dazu, die Geschichte eines einfachen Soldaten, der durch innere und äußere Zwänge so unter Druck gerät, dass er keinen Ausweg mehr sieht, als seine Freundin Marie zu ermorden.

Rollenspiel ist für Groß die „Kunst der Behauptung“. Diese Kunst beherrschte Reimund Groß so gut, dass dem mit dem Dramentext aus dem Unterricht vertrauten Publikum (fast) immer klar war, wen sie jeweils auf der Bühne sahen. Und dies gelang, obwohl die Anordnung der Szenen eine andere war als in der Schullektüre. Groß stellte dem Drama einen Monolog über das zu Erzählende, die voyeuristische Erwartung eines „schönen Mordes“ und das „Märchen der Großmutter“ aus dem Werk als Vorausschau und Zusammenfassung des Kommenden voran. In Büchners O-Ton stammelte der arme Soldat Woyzeck, schwärmte seine Freundin Marie vom feschen Tambourmajor und betrog ihren Versorger, schrie und verlachte ihn sein Hauptmann. Der Doktor belehrte den von ihm Abhängigen, während er ihn für sinnlose Experimente missbrauchte. „Werktreue“ sei ihm sehr wichtig, so Groß. Daher mutete er den jungen Zuschauern die fast 200 Jahre alte Sprache Büchners zu.  

Mit Körperhaltung, Mimik, Tonlage, Tempo, Pausen und Lautstärke modellierte der Schauspieler seine Figuren. Kostüme oder ein Bühnenbild brauchte er dafür nicht.  Nur seine Stimme und eine Gitarre. Immer wieder unterstützte er das Gezeigte durch Musik; Balladeskes und manchmal auch rockige Töne unterstrichen das Gespielte, manchmal lenkten sie auch ab. Ein besonderes Gewicht erhielt in seiner Interpretation die Jahrmarktsszene, für die er die Bühne auf die gesamte Aula ausdehnte und mit seiner Gitarre durchs Publikum schritt, um es zu den ausgestellten Kuriositäten zu locken. Und auch diese spielte Groß mit ironischer Intensität.

Dass Büchners Dramenfragment kein Wohlfühlstück ist, sondern das Publikum ungefiltert mit dem Schicksal von Menschen am unteren Ende der sozialen Leiter konfrontiert, wurde den Zuschauenden schnell klar. Und das muss ausgehalten werden. 

(Rita Cremering)

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Greselius-Gymn…
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